Psychoanalyse und Psychotherapie
Analytische und tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie sind Behandlungsverfahren, die sich auf seelische Konflikte, psychische Entwicklungsdefizite, traumatische Erfahrungen und erlernte krankhafte Beziehungsmuster konzentrieren. Meist sind es dabei Gefühle, die dem Kranken zu schaffen machen: oft ein „zu viel“ an Gefühlen (an Angst, an Kummer, an Verzweiflung, an Schmerz, an Wut), oft aber auch ein „zu wenig“ an Spüren und Fühlen. Beides kann das Selbst- und das Lebendigkeitsgefühl erheblich einschränken und chronisches Leiden an sich selbst, am Leben und in Beziehungen hervorrufen. Weil dieses Fühlen bzw. nicht-Fühlen als einseitig und schädlich erlebt, aber weder verstanden noch geändert werden kann, wird der Patient sich selbst unverständlich und fremd und entwickelt den Eindruck, nicht mehr Herr im eigenen Haus zu sein. Versuche, diesem Verlust an Selbstkontrolle durch vermehrte Kontrollanstrengungen zu begegnen, verstärken eher das Gefühl von Fremdheit, Selbstmanipulation und Unterdrückung von Lebendigkeit. Leben aber braucht Freiheit und Entfaltungsspielraum.
Die therapeutische Beziehung ist der Ort, in dem dieses „fremde“ Leiden mitgeteilt und miteinander geteilt werden kann. Sie ist dann aber auch der Ort, an dem die Konflikte, Defizite, schlimmen Erfahrungen und pathogenen Beziehungsmuster sich erneut zeigen können, sich sehen lassen, ausgehalten, verstanden werden können. Sie können in der therapeutischen Beziehung – im Hier und Jetzt – angenommen und durchgearbeitet werden, so dass emotionale Veränderung möglich wird. Psychoanalyse ist so gesehen eine Möglichkeit, sich anders fühlen zu lernen, mehr bei sich zu sein und lebendiger zu werden. Die psychoanalytischen Behandlungsverfahren zielen nicht auf Selbstoptimierung. Sie sind Behandlungsmethoden, die helfen, die erlebten Niederlagen und Wunden, die eigenen Schwächen und Kränkbarkeiten anzunehmen und zu integrieren. Das Ziel ist nicht, zu einer neuen Art von Überlegenheit oder Unverwundbarkeit zu kommen, sondern zu einem Gefühl von lebendiger und heilender Ganzheit zu finden.